Banken und Bankgeheimnis in Portugal

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Unter dem Bankgeheimnis versteht man die Pflicht des Kreditinstituts, kundenbezogene Tatsachen, die diesem im Rahmen der Geschäftsverbindung zum Kunden bekannt geworden sind, nicht gegenüber Dritten offen zu legen (Verschwiegenheitspflicht).

In Portugal wurde das Bankgeheimnis 1975 durch die Verfassungsordnung der portugiesischen Staatsbank (Banco de Portugal) gesetzlich verankert (Gesetzesdekret Nr. 644/75, vom 15. September 1975 sowie Nr. 729-F/75 vom 22. Dezember 1975).

Im Jahr 1976 wurde in Portugal die Verletzung des Bankgeheimnisses durch das Gesetzesdekret Nr. 475/46 vom 16. Juni 1976 sogar unter Strafe gestellt.

Durch ein Gesetzgebungsvorhaben im Jahre 2009 wurde das Bankgeheimnis in Portugal jedoch praktisch aufgehoben. Am 20. August 2009 wurde das Gesetz Nr. 94/2009 vom 1 September 2009 verabschiedet. Das Gesetz trägt die Überschrift „Maßnahmen zur Aufhebung des Bankgeheimnisses“ und beruht im Wesentlichen auf einer Gesetzesinitiative der Kommunistischen Partei Portugals. Die Finanzverwaltung hat nun immer dann Zugriff auf Kontoinformationen, wenn der einfache Verdacht bzw. ein Indiz dafür besteht, dass die Steuerklärung Unregelmäßigkeiten aufweist, eine gesetzlich vorgeschriebene Erklärung nicht abgegeben wurde oder es zu einem nicht nachvollziehbaren Vermögenszuwachs von über 100.000 € kam. Diese Ermächtigungen stellen einen Freibrief für die Steuerbehörden im Verhältnis zum Bürger dar. Man fragt sich, wann bereits ein solches Indiz vorliegt. Wenn man eine Zahl in seiner Steuererklärung nicht lesbar geschrieben hat?

Außerdem ist zu erwähnen, dass ab sofort nicht nachvollziehbare Vermögenszuwachse von über € 100.000 mit einem Straf-Steuersatz von 60 % besteuert werden. Außerdem müssen die Kreditinstitute der Finanzverwaltung jeweils bis Ende Juli Auskunft zu Geldtransfers auf Konten von sog. Offshore-Gesellschaften geben. Das sind Gesellschaften, die ihren Sitz in „Steuerparadiesen“ haben und deren Inhaber in der Regel nicht offen gelegt werden.

Das strenge Verständnis vom Bankgeheimnis begann in Portugal bereits in der Mitte der Achtzigerjahre an zu bröckeln. Erstmalig sah das Gesetz Nr. 45/86 vom 1. Oktober 1986 Ausnahmen des Bankgeheimnisses vor, die aber sehr strengen Voraussetzungen unterlagen. Das Gesetz ermächtigte die Antikorruptionsbehörde dazu, an Informationen von Bankkunden zu gelangen.

Später sah das Gesetzesdekret Nr. 298/92 vom 31. Dezember 1992 weitere Ausnahmetatbestände zu Gunsten der portugiesischen Staatsbank als Aufsichtsbehörde im Bankwesen und der Marktaufsichtsbehörde (Comissão do Mercado de Valores Mobiliários) vor. Der erste Schritt zur latenten Aushöhlung des Bankgeheimnisses war 1992 die Ermächtigung der Marktaufsichtsbehörde, bei zweifelhaften Ereignissen auf dem freien Markt, einschließlich des Börsenhandels, ohne vorherige Genehmigung einer anderen Instanz, etwa eines Gerichts, kundebezogene Daten bei Kreditinstituten anfordern zu dürfen. Die Finanzverwaltung besaß 1992 hingegen (noch) keine Befugnis bei Banken Einsicht in Konten verdächtiger Steuerzahler zu nehmen. Auch in den nachfolgenden Jahren wurde der Grundsatz der Wahrung des Bankgeheimnisses im Verhältnis Steuerbehörde-Kreditinstitute aufrechterhalten, d.h. nur die Aufsichtsbehörden (Staatsbank und Marktaufsichtsaufsichtsbehörde) durften unter bestimmten Voraussetzungen in Konten einsehen.

Erst ab 1999 wurden die Rechte der Finanzverwaltung gestärkt. Erstmals wurden im Gesetzesdekret Nr. 6/99 vom 8. Januar 1999 und im Gesetz 30-G/2000 vom 29. Dezember 2000 Voraussetzungen festgelegt, unter denen die Steuerbehörden an Zugang von Konteninformation gelangen konnten. Mit dem Gesetz Nr. 5/2002 vom 11. Januar 2000 sind weitere Regelungen im Bereich der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Kraft getreten, welche die Finanzbehörden dazu ermächtigte, bei Verdacht bestimmter strafbaren Handlungen das Bankgeheimnis zu durchbrechen.

Spätestens seit 2000 besteht in Portugal demnach kein echtes Bankgeheimnis mehr, da meiner Ansicht nach die gesetzlichen Bestimmungen bereits von ihrer Formulierung her keine scharfen Konturen besaßen; durch Wortlaut, Inhalt und Einschränkungen erhielten die Regelungen vielmehr einen weitgehend relativierenden Charakter.

Der Staatsaushalt 2005 hat mit dem Gesetz 55-B/2004 vom 30. Dezember 2004 weitere Ausnahmetatbestände der Aufhebung des Bankgeheimnisses eingeführt.

Schließlich hat das aktuelle Gesetz Nr. 94/2009 vom 1 September 2009, welches den Anlass zum Verfassen dieses Beitrages gab, die Voraussetzungen für die Einsicht in Konten von Steuerpflichtigen weiter gelockert. Portugal ist zum Überwachungsstaat „mutiert“.